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Jenseits der einfachen Antworten. Polarisierungen überwinden (Ringvorlesung)


Jenseits der einfachen Antworten. Polarisierungen überwinden (Ringvorlesung)

Lutherische Theologie und Kirche, Heft 03/2022, ganzes Heft als eJournal

von: Christoph Barnbrock, Achim Behrens, Christian Neddens, Gilberto da Silva, Armin Wenz, Cord Schmelzle

12,00 €

Verlag: Edition Ruprecht
Format: PDF
Veröffentl.: 29.12.2022
ISBN/EAN: 9783846996577
Sprache: deutsch
Anzahl Seiten: 70

Dieses eBook enthält ein Wasserzeichen.

Beschreibungen

Aus dem Editorial von Schriftleiter Christian Neddens:
»Jenseits der einfachen Antworten. Polarisierungen überwinden« – das war der Titel der Ringvorlesung an der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH), die in bewährter Weise in Kooperation mit der Volkshochschule Hochtaunus im Wintersemester 2021/22 auf dem Hochschul-Campus stattfand. Es sollte darum gehen, dem Phänomen der Polarisierung auf die Spur zu kommen und Wege zu entdecken, die jenseits der einfachen Antworten zu einem konstruktiven Miteinander in Gesellschaft und Kirche führen. Die Beiträge der Ringvorlesung sind nun als leicht bearbeitete Aufsätze in diesem Heft enthalten.
Achim Behrens, Professor für Altes Testament an der LThH, geht der Frage nach, ob Religion gesellschaftliche Polarisierungen verstärkt oder ob sie diese auch überwinden kann. Dabei entwirft er das Bild von Kirchen und Gemeinden als solchen Orten, an denen eine Kultur des Streits gepflegt wird im Wissen um das grundsätzliche Verbundensein auch schärfster Kontrahenten. Mit vielfältigen Anleihen an biblische Streit- und Versöhnungsgeschichten zeigt Behrens auf, wie durch den Glauben Selbstgerechtigkeit und damit auch positionelle Verhärtung aufgelöst und eine Wertschätzung des Anderen ermöglicht werden kann.
Cord Schmelzle ist Politikwissenschaftler und leitet am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) ein Projekt zu Moral und Moralismus in öffentlichen Debatten. Hilfreich differenziert Schmelzle zwischen themenbezogener und gruppenbezogener bzw. affektiver Polarisierung. Während erstere nützlich sein kann, um eine Problemstellung in ihrem Aspektreichtum wahrzunehmen und kreative Lösungen zu finden, führt zweitere meist zu Antipathien und Spannungen zwischen divergierenden Gruppen. Eine weitere Differenzierung betrifft die unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen: Polarisierte Eliten gehen nicht zwangsläufig mit einer polarisierten Gesellschaft einher. Diverse mögliche Konstellationen können hier zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen. Grundsätzlich gelte aber, dass eine Verbesserung von Beteiligungschancen zu stärkerer sozialer Integration führe, während eine starke gruppenbezogene affektive Polarisierung gesellschaftliche Aushandlungsprozesse auch auf der Sachebene erschwere.
Gilberto da Silva, Professor für Kirchengeschichte an der LThH, erläutert am Beispiel des südamerikanischen Dominikanermissionars und Zeitgenossen Martin Luthers Bartolome de Las Casas die Chancen einer perspektivischen Hermeneutik. Sie sei geeignet - so da Silva - polarisierende »Voreingenommenheiten« (Hans-Georg Gadamer) und ungeprüfte »Vorstrukturen des Verstehens« (Martin Heidegger) aufzulösen. Da Silva zeigt auf, wie Las Casas die Handlungen und Rituale der indigenen Bevölkerung Südamerikas aus deren eigener Weltsicht und kulturell bestimmter Logik nachzuvollziehen sucht und dadurch zu einer Würdigung zunächst völlig unverständlicher Handlungsweisen kommen kann. Das bedeutet nicht, dass es deshalb unmöglich würde, nach dem Besseren und Schlechteren zu fragen und einander »Impulse zur Änderung« geben zu dürfen.
Christoph Barnbrock schließlich, Professor für Praktische Theologie an der LThH, eröffnet Wege, wie biblisch orientiert mit Brüchen und Uneindeutigkeiten im Privaten wie auch in der Gesellschaft umgegangen werden kann. Einer ganzen Palette von wenig hilfreichen Formen der Krisenbewältigung, wie sie uns immer wieder unterlaufen, stellt er Impulse für hilfreichere Formen solchen Handelns gegenüber. Dabei wird deutlich, dass es bei den unterschiedlichen Aspekten des »trauern Lernens«, des »trotzigen Vertrauens«, des »melancholisch leben Lernens«, der Gegenwärtigkeit und Resilienz, die Barnbrock aufzeigt, letztlich um eine elementare Grundhaltung des Lebens geht: die Offenheit nämlich, an den Herausforderungen zu lernen und Veränderungen bei sich selbst zuzulassen, was letztlich auch für die gesellschaftlichen und für die kirchlichen Herausforderungen, vor denen wir in den nächsten Jahren stehen werden, entscheidend sein dürfte.